Es gibt Sachen, die gibt es gar nicht. Und dazu gehören in gewisser Weise ebenso Online-Shops. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich mit den virtuellen Geschäften sehr reelles Geld verdienen lässt. Spätestens seit Amazon kann praktisch jeder mit minimalem Einsatz in relativ kurzer Zeit recht große Umsätze schreiben. Manchmal sogar ganz ohne Ladenlokal, Warenlager und Vertrieb. Wer aber erfolgreich Amazon-Händler werden will, muss vieles beachten. Was genau, erfährst du hier.
Antonia Klatt
Last Updated on 30 November 2021
Einzelhandel vs. Online-Handel
Es mag ja Leute geben, die einen bestimmten Verkaufsartikel für den absoluten Renner halten. Was läge da also näher, als ein Geschäft dafür zu eröffnen, damit reich und berühmt zu werden und den Rest seines Lebens auf den Bahamas Cocktails zu schlürfen? Nun, ganz so einfach wird es wohl nicht gehen, denn der Shop in bester City-Lage verschlingt einiges an Unkosten und das Interesse des Laufpublikums an den sensationellen Produkten liegt doch oft weit hinter den Erwartungen zurück. Aber es gibt ja noch den Online-Handel.
Wer jetzt allerdings meint, er könne eine gigantische Zahl an Besuchern für seinen Online-Shop begeistern und in kaufwütige Kunden wandeln, macht die Rechnung in der Regel ohne Google. Suchmaschinen-Marketing ist zwar keine Raketenwissenschaft, doch braucht es einiges an Erfahrung und Geschick, sein Publikum innerhalb der Netzgemeinde zu finden, auf seinen eigenen Online-Shop aufmerksam zu machen und dort relevante Umsätze zu generieren.
Und als wäre das ganze Thema nicht schon komplex genug, muss die Ware ja zudem noch gelagert und für den Versand verpackt und vom hoffentlich hochzufriedenen Kunden akzeptiert werden, bis der Verkaufserlös letztendlich auf dem Geschäftskonto verbucht und anteilig als Gewinn irgendwann mal in der eigenen Tasche landet. Geht das nicht einfacher?
Einfach Amazon Händler werden
Ja, es geht – und die Lösung heißt Amazon. Aber natürlich gibt es hier ebenso eine ganze Menge Dinge zu beachten, die dem Leben in Saus und Braus auf den Bahamas noch im Wege stehen. Eines davon ist Amazon selbst. Aber dazu später mehr. Denn unter dem Strich betrachtet hat das Unternehmen das Online-Business derart revolutioniert, dass sich der Kraftaufwand für den Einstieg in das Online-Geschäft doch als überschaubar erweist. Gehen wir also mal die ersten Schritte auf den Weg in den erfolgreichen Online-Handel.
Zunächst einmal solltest du dir von Anfang an bewusst machen, dass es sich bei deinem Vorhaben – sofern du es denn ernst meinst – um ein Gewerbe mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Das heißt, du benötigst einen Gewerbeschein. Den bekommst du beim zuständigen Gewerbeamt ausgestellt. Die Kosten dafür variieren je nach Stadt und Bundesland zwischen 15 Euro und 50 Euro.
Juristische oder reale Person: Die richtige Rechtsform
Dabei musst du die Rechtsform für dein Unternehmen festlegen. Hier stehen eine ganze Reihe von Rechtsformen zur Auswahl. Angefangen vom Einzelunternehmen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und der Unternehmergesellschaft UG (haftungsbeschränkt) bis hin zur GmbH. Wer den ganz großen Auftritt liebt, kann natürlich alternativ über die Gründung einer eigenen Aktiengesellschaft nachdenken.
Was diese Rechtsformen alle voneinander unterscheidet, ist natürlich unter anderem die Höhe des Gründungskapitals. Während der Einzelunternehmer noch die laufenden Kosten mehr oder weniger von seinem Privatkonto begleichen könnte, benötigen die übrigen Rechtsformen ein Startkapital. Bei der GmbH ist die Einlage auf mindestens 25.000 Euro festgelegt und erreicht bei der AG schon 100.000 Euro.
Die Frage der Haftung
Die UG lässt sich schon mit einem Stammkapital von theoretisch einem Euro gründen, nur lassen sich mit einer derartig geringen Summe die laufenden Kosten nicht lange decken. Realistischer wäre eine Einlage von vielleicht 3.000 Euro. Weit komplexer sind jedoch die juristischen Hintergründe der Unternehmensformen. Während der Einzelunternehmer sogar mit seinem Privatvermögen haftet, beschränken sich die Ansprüche an eine UG oder eine GmbH auf das jeweilige Firmenvermögen, im Falle der GmbH auf mindestens 25.000 Euro.
Die Unterschiede werden meistens erst dann deutlich spürbar, wenn du dein Unternehmen vor die Wand fährst. Ist der Worst Case eingetreten, reicht das Spektrum der Grausamkeiten von der einfachen Liquidation bis hin zur Privatinsolvenz mit Pfändung sämtlicher Gehälter und privaten Vermögenswerte. Wer sich hier von Anfang an richtig aufstellt, hat im Falle eines Falles aber noch ein Leben nach der Pleite.
Für welche Unternehmensform du dich auch entscheidest – du brauchst natürlich eine Bankverbindung, eine Steuernummer und eine Geschäftsadresse. Und da wir uns in Deutschland, dem Paradies aller Finanzbeamten befinden, sei dir ein kompetenter Steuerberater dringend ans Herz gelegt. Der berät dich auch bei der Findung der Unternehmensform, kümmert sich um das Anlagevermögen und erstellt bei bilanzpflichtigen Unternehmen ebenso den Jahresbericht.
Amazon Account einrichten und Händler werden
Hast du dass alles unfallfrei über die Bühne gebracht, richtest du dir einen Account bei Amazon ein. Da du aber mit Sicherheit ohnehin schon einen hast, brauchst du auf der Startseite nur noch oben rechts in der Menüzeile auf „Verkaufen“ zu klicken. Schon bist du Verkäufer.
Oder jedenfalls fast. Denn nun folgt die Gretchenfrage: Willst du mehr oder weniger als 40 Artikel pro Monat verkaufen? Bei „weniger“ richtest du dir ein Basiskonto ein und bezahlt an Amazon pro verkauften Artikel einen Betrag von 0,99 Euro. Sonst nichts. Allerdings rücken bei 40 verkauften Artikeln die Bahamas in weite Ferne.
National oder international verkaufen?
Wer es also etwas professioneller angehen möchte, wählt entsprechend das professionelle Anbieterkonto. Zumal dieser Account mit einer Monatspauschale von 39 Euro ja nicht den finanziellen Ruin bedeutet. Darüber hinaus verlangt Amazon aber noch eine Verkaufsprovision, die je nach Artikel zwischen 7% und 20% liegen kann.
Etwas komplexer ist bei Amazon das Thema mit der Lagerung der Ware. Jedenfalls dann, wenn du dich für das FBA-Programm entscheidest. FBA steht für Fullfillment by Amazon und bedeutet nicht weniger, als dass Amazon dir ein komplettes Rundum-sorglos-Paket anbietet: Das Unternehmen lagert deine Ware, nimmt den Bestellauftrag an, verpackt die Ware und schickt sie nicht nur zum Kunden, sondern wickelt gleichermaßen die Retouren ab. Und das Ganze nicht nur für Verkäufe innerhalb Deutschlands, sondern in ganz Europa und darüber hinaus.
Natürlich nicht kostenlos: Die Lagergebühren liegen je nach Saison, Größe und Produktkategorie zwischen 15 Euro und 36 Euro pro Kubikmeter und Monat. Das ist zwar nicht wenig Geld, doch wenn man mal bedenkt, wie groß der Zeit- und Personalaufwand wäre, wenn man sich selbst um die Lagerung, den Versand und die Retourenbearbeitung kümmern müsste, relativieren sich die Kosten wieder.
Das Thema mit dem Warenlager
Einen dicken Haken gibt es aber trotzdem. Denn du hast als FBA-Händler keinen Einfluss darauf, in welchem Land sich das Lager befindet. Was jetzt ein wenig nach Willkür klingt, sind die Auswirkungen eines ausgeklügelten und enorm leistungsstarken Logistiksystems, das in der Lage ist, praktisch jeden Kunden in Europa innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Bestelleingang zu beliefern.
Dafür hat Amazon in den wichtigsten Lieferländern strategische Logistikzentren eingerichtet, zu denen das Unternehmen Waren über alle Grenzen hinweg verschiebt, um sie zu bündeln und die Transportkapazitäten effizienter zu nutzen. Soweit, so gut – aber es gibt ja immer noch die Finanzbehörden und zwei ganz entscheidende Nachrichten: eine gute und eine schlechte.
Internationale Steuerabrechnung deutlich erleichtert
Fangen wir mal mit der guten an: Seit dem 1. Juli 2021 reicht es aus, dass du dich sogar bei grenzüberschreitenden Warenverkäufen innerhalb der EU nur noch bei einer einzigen Steuerbehörde für die Umsatzsteuervoranmeldung registrieren lassen musst. Dieses One-Stop-Shop genannte Steuerabrechnungsverfahren stellt eine enorme Vereinfachung bei der Steuererklärung dar. Denn bis dato musste sich jeder Händler bei Verkäufen innerhalb der EU bei Überschreitung einer gewissen Lieferschwelle in dem jeweiligen Land steuerlich registrieren lassen und natürlich pünktlichst seine Abgaben überweisen.
Aber kommen wir mal zur schlechten Nachricht: One-Stop-Shop gilt nicht für die Lagerung deiner Waren im Ausland. Die muss nach wie vor noch in dem jeweiligen Land angemeldet und unter einer Steuernummer bei den nationalen Behörden registriert sein. Da die Verbringung deiner Ware in ein ausländisches Lager aber nicht von dir, sondern von Amazon ohne dein eigenes Zutun praktisch über deinen Kopf hinweg veranlasst wird, sorgt das bei vielen FBA-Händlern für Unverständnis und Ärger – und führt dazu, dass sie sich in den jeweiligen, von Amazon ausgewählten Ländern, umsatzsteuerlich registrieren müssen.
Gesamte EU als Marktplatz
Wenn du aber auf der anderen Seite bedenkst, dass du durch Amazon eine gigantisch große Zielgruppe in ganz Europa erreichen kannst, relativiert sich der Ärger schnell wieder. Außerdem kannst du das ganze Thema vermeiden, indem du bei der Anmeldung kein Häkchen bei dem Menüpunkt „Automatisch auf allen EU-Marktplätzen verkaufen“ machst. In dem Fall wird deine Ware nur bei amazon.de eingestellt und die übrigen Finanzämter in Europa können dir egal sein. Aber die übrigen Kunden in ganz Europa müsstest du leider gleich mit aufgeben.
Und damit wären wir wieder zurück am Anfang deiner Registrierung. Schließlich ist hier noch einiges zu tun. Denn nun folgen Angaben zu Fragen, die du hoffentlich schon abgeklärt hast: Handelsregisternummer, deine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, Firmenanschrift sowie die verantwortliche Geschäftsführung samt Kontaktdaten. Und nicht zu vergessen: die Bankverbindung und Einzugsermächtigungen. Die Daten sind schnell eingetragen.
Dein Shop: Namensfindung und Positionierung
Fast beiläufig wird dabei noch der gewünschte Namen für deinen Shop erfragt. Hier solltest du vorher gründlich recherchiert haben. Denn Erfolg bei Amazon hat nicht der Anbieter von irgendetwas, sondern der Händler, der mit seinem Angebot eine Nische füllt. Und die will erst einmal gefunden werden. Einerseits vom Händler, der für sein Angebot einen klaren USP (unique selling proposition / Alleinstellungsmerkmal) herausarbeitet. Und für den Kunden, der diese Nische bei Amazon durch Eingabe von Keywords gleichzeitig findet.
Hier ist durchaus einiges an Marketing-Know-how verlangt, um seine Händlermarke so aufzubauen, dass sie für ein Leistungsversprechen steht, welches dem Kunden einen echten Mehrwert garantiert. Du musst dafür nicht gleich die weltbeste Werbeagentur beauftragen, jedoch ist hier etwas professioneller Beistand von grafischer und textlicher Seite eine lohnende Investition. Mit einer ansprechenden Corporate Identity samt Logo und Claim erhöhst du die Klickraten auf deinen Amazon-Shop deutlich.
Urheberrechte unbedingt beachten
Lädst du deine Artikel hoch, geht es darüber hinaus um so wichtige Dinge wie Produktabbildungen und Amazon Produktbeschreibungen. Die sollten keinesfalls einfach aus dem Netz kopiert werden, da diese in aller Regel urheberrechtlich geschützt sind und niemals ohne Freigabe verwendet werden sollten. Es sei denn, du möchtest deine möglicherweise noch nicht einmal erzielten Umsätze gleich wieder an gegnerische Abmahnanwälte weiterleiten.
Überhaupt ist der Handel auf Amazon nicht ganz so risikolos, wie man gemeinhin annimmt. Zum einen steht der Händler bei der Produkthaftung in der Verantwortung. Und zwar ganz unabhängig davon, ob er die Ware selbst produziert hat, von einem Zulieferer hat anfertigen lassen und einfach nur mit dem eigenen Logo labelt oder einen Markenartikel schlicht und einfach nur verkauft. Bei allen Mängeln ist der Händler die erste Adresse für Reklamationen.
Rechtliche Fallen beim Verkauf
Hinzu kommt, dass beim Verkauf auf Amazon eine ganze Reihe unterschiedlicher Vertragsverhältnisse zum Tragen kommen, die einen möglichen Rechtsstreit extrem kompliziert machen: Während es sich bei einem normalen Online-Kauf um eine Sache zwischen Käufer und Verkäufer handelt, schließen beim Verkauf auf Amazon Käufer und Verkäufer jeweils einen Vertrag mit dem Plattformbetreiber, während der Plattformbetreiber den eigentlichen Kaufvertrag mit dem Käufer schließt.
Aber selbst ohne dieses juristische Dreiecksverhältnis kommt es auf Amazon immer wieder zu Konflikten. Gemeint ist damit das eingangs erwähnte Verhalten Amazons gegenüber seiner Händlerkundschaft. Die stehen nämlich nicht selten in direkter Konkurrenz zu Amazons eigenem Angebotsportfolio. Wird ein Händler zu groß, bekommt er mancherorts die geballte Marktmacht des Konzerns zu spüren und wird von Amazon in einen ungleichen Wettbewerbskampf um die Kundschaft gezogen. Dabei dürfte jedem klar sein, wer dabei das bessere Ende für sich verzeichnet.
Andere Plattformen nicht vernachlässigen
Darum sollte jeder, der in den Online-Handel einsteigen möchte, sich nicht nur von einer einzigen Plattform abhängig machen. Deine Aktivitäten als Verkäufer auf Amazon solltest du daher immer mit einer eigenen Webseite und einem eigenen Online-Shop flankieren und ebenso bei anderen Plattformbetreibern deine Angebote ins Netz stellen, um dich nicht zu sehr in die Abhängigkeit eines einzelnen zu begeben.
Wenn du das beherzigst, kannst du ganz entspannt deine Zukunft als erfolgreicher Online-Händler bei Amazon planen und wirst dir mit etwas Glück, viel Geschick und noch mehr Disziplin ein erfolgreiches Business aufbauen können – und dich bei Gelegenheit mal bei einem Cocktail auf den Bahamas von dem Stress erholen können.