Amazon-Händler und -Käufer sind quer über den Globus verteilt. Zum einen dadurch und zum anderen durch die weltweit verteilten Amazon-Lager kommt es zu den verschiedensten Formen der Warenlieferungen und dadurch zu vielen rechtlichen Besonderheiten hinsichtlich der Umsatzsteuer. Der Umsatzsteuer-Berechnungsservice von Amazon soll hier Abhilfe schaffen. Was es zu beachten gilt, erklärt dieser Artikel.
Patrick Moeller
Last Updated on 13 September 2020
Umsatzsteuer und Amazon FBA
Durch den Marktplatz-Charakter tritt Amazon in Kaufprozessen größtenteils als Verkaufsvermittler auf. Amazon verbindet ausschließlich das Angebot mit der Nachfrage. Ein tatsächlicher Kaufvertrag kommt zwischen dem Verkäufer – also Dritten – und den Amazon-Kunden zustande. Der Clou dabei ist, dass Amazon in diesem Szenario keinerlei steuerrechtliche Verantwortung übernimmt. Demzufolge ist der Verkäufer für die Ausstellung einer korrekten Rechnung und der Ausweisung der länderspezifischen Umsatzsteuer sowie deren Abführung verantwortlich.
Die steuerrechtliche Aspekte werden noch komplexer, sobald internationale Geschäftsbeziehungen zustande kommen. Hier ist der Verkäufer dafür verantwortlich, die relevanten Steuerpflichten in den entsprechenden Empfängerländern zu beachten und einzuhalten. Beispielsweise verkauft ein in Deutschland ansässiger Händler Ware europaweit nach Polen und in die Niederlande. Das Lager befindet sich in Deutschland.
Sobald der Händler bei den europaweiten Lieferungen die geltenden Lieferschwellen (in der Regel um die 35.000 EUR) überschreitet, entstehen steuerrechtliche Anforderungen. So ist der Händler z.B. dazu verpflichtet, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für das Amazon Business in dem jeweiligen Land zu registrieren und die Umsatzsteuer in dem Lieferland abzuführen.
Die Steuerverflechtungen werden durch die Nutzung von Amazon FBA noch komplexer: Indem Amazon-Händler auf die Lagerlogistik zurückgreifen, kann die Ware von unterschiedlichen länderübergreifenden Lagern verschickt werden. Ausführliche Informationen sowie Tipps können unserem ausführlichen Ratgeber entnommen werden: Amazon FBA und die Umsatzsteuer
Amazon Umsatzsteuer-Berechnungsservice
Mit der zunehmenden Internationalität haben Amazon-Händler in ihren Verkaufskonten die Option Umsatzsteuer-Berechnungsservice aktiviert. Dieser Berechnungsservice soll die komplexe Verrechnung von unterschiedlichen Umsatzsteuern übernehmen und Händler vor steuerrechtlichen Stolperfallen schützen. Allerdings ist der Amazon Umsatzsteuer-Berechnungsservice kein Schutzschirm für Händler. Trotz des Services und automatisierter Rechnungsstellung können Steuerschlupflöcher entstehen. Nichtsdestotrotz setzen Online-Händler den Berechnungsservice weiterhin ein, um die hiermit einhergehenden Vorteile, wie z.B. Anzeige von Netto-Preisen weiter zu nutzen.
Im Folgenden werden einige Steuerschlupflöcher, die durch die Nutzung des Umsatzsteuer-Berechnungsservice entstehen, kurz erläutert:
- Die Überschreitung der Lieferschwelle wird als Standardeinstellung angenommen: Der Berechnungsservice nimmt, unabhängig von dem Netto-Umsatz im jeweiligen Land, an, dass die Lieferschwelle überschritten ist. So wird die länderspezifische Umsatzsteuer berechnet und infolgedessen die Rechnung entsprechend generiert. Dies kann für den Verkäufer problematisch werden: Erstens, da der Online-Händler womöglich von der Umsatzsteuer im Lieferland durch den geringen Netto-Umsatz befreit ist und zweitens existiert keine gültige Amazon Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Folge: Die ausgestellte Rechnung ist nicht rechtskonform.
- Nationale steuerrechtliche Ausnahmen hinsichtlich des Verzichts auf die Lieferschwelle können durch den Amazon Umsatzsteuer-Berechnungsservice nicht abgebildet werden.
- Ungültige Steuernummern bei Reverse-Charge-Verfahren für grenzübergreifende Lieferungen: Der automatische Berechnungsservice von Amazon legt bei Käufern die in dem Konto hinterlegte USt.-ID-Nr., unabhängig von dem jeweiligen Lieferland, zu Grunde. Parallel wird das Reverse-Charge-Verfahren angenommen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass Käufer die Ware z.B. in ein anderes Land liefern lassen können. Demzufolge weicht die Rechnungsadresse von der Lieferadresse ab. So wird fälschlicherweise die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die dem Amazon-Käuferkonto zugeordnet sind, dem Kauf zugeordnet.
Amazon und die EU-Umsatzsteuer
Gemäß den europäischen Vorschriften erhebt Amazon eine EU-Umsatzsteuer für Abonnementgebühren und den Verkaufsgebühren für die Nutzung des Amazon-Marketplaces als Distributionskanal. Im Rahmen der Verrechnung der EU-Umsatzsteuer durch Amazon existieren wichtige Aspekte, die für Online-Verkäufer relevant sind. Diese werden im Folgenden zusammengefasst:
- Amazon erhebt die gültige EU-Umsatzsteuer für Verkäufer …
- auch ohne gültige europäische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.
- mit einem Wohnsitz in Europa.
- welche ihre Ware auf nicht europäischen Webseiten vertreiben.
- Maßgebend für die Höhe der EU-Umsatzsteuer ist der geltende Steuersatz des Landes, in dem der Online-Händler ansässig ist.
- Eine EU-Umsatzsteuer ID kann in dem jeweiligen Land – auch größtenteils online – beantragt werden. Zu beachten ist, dass mit der länderspezifischen Umsatzsteuer-ID Rechten und Pflichten des jeweiligen Landes entstehen. Diese gilt es stets einzuhalten.
- Die EU-Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kann an Amazon über das Seller Central übermittelt werden. Durch die Übermittlung der Steuer-ID werden die Voraussetzungen für das Reverse-Charge-Verfahren eingehalten.
- Amazon übernimmt ausschließlich die Umsatzsteuerberechnung, sofern der Umsatzsteuer-Berechnungsservice aktiviert ist. Jedoch übernimmt Amazon hierfür keine umsatzsteuerrechtliche Verantwortung. Dies bedeutet, dass der Online-Händler z.B. eigenständig für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung verpflichtet ist.
Drei Varianten der grenzüberschreitenden Lieferungen im Online-Handel
Im Wesentlichen gibt es dreit unterschiedliche Formen von grenzüberschreitenden Lieferungen im Online-Handel, denen jeweils andere steuerrechtliche Regularien zu Grunde liegen.
Lieferungen an Endverbraucher
Die erste Variante ist der Verkauf und die Lieferung von Waren an private Endverbraucher. Dabei wird der Umsatz wie üblich erstmal dort versteuert, wo der Unternehmenssitz liegt. Erst, wenn die sogenannten Lieferschwellen überschritten werden, musst du als Händler eine Umsatzsteuer-ID im jeweiligen Land registrieren, wo du die Lieferschwelle überschritten hast. Die Lieferschwelle liegt in den meisten EU-Ländern bei ca. 35.000,- EUR.
Im Umsatzsteuer-Berechnungsservice von Amazon führt das allerdings schnell zu Komplikationen. Sobald im Bestimmungsland nämlich eine USt.-ID vorliegt, geht Amazon automatisch davon aus, dass die Lieferschwelle überschritten worden ist. Dabei kann es sein, dass das noch gar nicht passiert ist und die Verkäufe noch im Herkunftsland versteuert werden. Solche nationalen Ausnahmen bildet Amazon allerdings nicht ab.
Hier ist es sinnvoll, auf Steuer-Software wie hellotax zu setzen, da sie für jedes Land die Lieferschwellen überwacht und den Nutzer darauf hinweist, wenn sie drohen, überschritten zu werden. Erst in dem Fall wird eine Umsatzsteuer-ID-Registrierung nötig und erst nach Überschritten der Schwelle müssen die Waren im Bestimmungsland versteuert werden.
Lieferungen an Unternehmen
Werden Waren an Unternehmen im Ausland versendet, kommt häufig das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren zum Einsatz. Das ist für den Umsatzsteuer-Berechnungsservice von Amazon kaum abbildbar. Nehmen die Käufer nämlich an dem Reverse-Charge-Verfahren Teil, prüft Amazons Tool lediglich, ob sie im Besitzer einer Umsatzsteuer-ID im jeweiligen Staat sind, nicht jedoch die steuerliche Erfassung vor Ort.
Hat ein Käufer bspw. eine spanische USt.-ID, bestellt die Ware aber an eine französische Adresse und der deutsche Händler verschickt aus einem französischen Lager, handelt es sich nicht um eine grenzüberschreitende Lieferung. Aufgrund der spanischen USt.-ID geht Amazon trotzdem davon aus, dass das Reverse-Charge-Verfahren angewandt werden muss.
Hinzu kommt, dass Amazon die USt.-IDs von den einzelnen Unternehmen nicht mehr prüft, wenn sie einmal erfolgreich bestätigt wurde. Dementsprechend kann es gerade Händlern mit vielen Transaktionen regelmäßig passieren, dass sich das Bundeszentralamt für Steuern meldet und darauf hinweist, dass ihre Zusammenfassenden Meldungen ungültige USt.-IDs enthalten.
Lieferungen ins Drittland mit Ausnahme Schweiz
Verkaufst du als Händler Waren ins Drittland, werden diese vom Umsatzsteuer-Berechnungsservice von Amazon korrekt als steuerfreie Ausfuhrlieferungen behandelt. Da die Schweiz nicht Teil der Europäischen Union ist, wird sie in diesem Fall als Drittland behandelt. Aber: Anders als andere Drittländer, kann Amazon Lieferungen in die Schweiz nicht korrekt abbilden, da diese eine eigenständige Versandhandelsregelung zum 1. Januar 2019 eingeführt hat.
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Fazit
Durch Amazon FBA werden den Online-Verkäufern internationale Verkaufsmöglichkeiten eröffnet. Verkäufer erhalten hierdurch Zugriff auf internationale Käufergruppen. Allerdings entstehen durch die grenzübergreifenden Lieferungen insbesondere umsatzsteuerrechtliche Ansprüche, die es zu erfüllen gilt. Amazon bietet Verkäufern zwar die Möglichkeit, diese mithilfe des Amazon Umsatzsteuer-Berechnungsservices zu übernehmen, wodurch sich allerdings regelmäßig steuerrechtliche Stolperfallen ergeben können.
Deshalb ist es empfehlenswert, steuerrechtliche Aspekte, welche auch in Rechnungen münden, mittels einer Online-Steuer-Software wie hellotax zu validieren bzw. solche Leistungen gänzlich mittels spezieller Software zu übernehmen. So wird sichergestellt, dass jegliche Steuerschlupflöcher vermieden werden.