Als Geschäftsführer eines Unternehmens hantierst du für gewöhnlich monatlich mit vielen verschiedenen Eingangs- und Ausgangsrechnungen, wodurch verschiedene steuerliche Herausforderungen auf dich zukommen. Gerade die Umsatzsteuer ist ein Thema, das dauerhaft präsent ist und Aufmerksamkeit erfordert. Was verstehen wir unter vereinnahmter Umsatzsteuer und wie können wir dieses Wissen für uns nutzen?
Patrick Moeller
Last Updated on 12 October 2020Begriffsdefinition: Was ist die vereinnahmte Umsatzsteuer?
Vereinnahmte Umsatzsteuer beschreibt letztlich genau das, was der Begriff schon sagt: Es handelt sich um die Umsatzsteuer, die wir einnehmen. Immer, wenn wir eine Rechnung schreiben und nicht von der Kleinunternehmerregelung oder dem Reverse-Charge-Verfahren Gebrauch machen, fügen wir unserem Rechnungsbetrag 19% Umsatzsteuer (im zweiten Halbjahr 2020 16%) hinzu.
Beispiel: Vereinnahmte Umsatzsteuer berechnen
Wenn unser Rechnungsbetrag eigentlich 100,- EUR ist, kommen weitere 19,- EUR (bzw. 16,- EUR) an Umsatzsteuer dazu. Überweist uns unser Kunde nun die 119,- EUR (bzw. 116,- EUR), sind die 19,- EUR (bzw. 16,- EUR) unsere vereinnahmte Umsatzsteuer. Die Rechnung ist einfach: Multipliziere den Rechnungsbetrag mit 1,19 (bzw. 1,16). Ziehe von dem Ergebnis nun den Rechnungsbetrag ab – übrig bleibt die vereinnahmte Umsatzsteuer.
Die vereinnahmte Umsatzsteuer kann allerdings von dem Umsatzsteuer-Betrag auf der Rechnung abweichen. Überweist dir ein Kunde z.B. aus Versehen 238,- EUR statt 119,- EUR und du überweist ihm den Mehrbetrag nicht zurück, entspricht die vereinnahmte Umsatzsteuer 19% (bzw. 16%) von dem überwiesenen Betrag. Die vereinnahmte Umsatzsteuer bezieht sich demnach auf das tatsächlich eingenommene Geld.
Vereinnahmte Entgelte: Ist-Besteuerung der Umsatzsteuer
Unternehmer, die jährlich bis zu 600.000,- EUR Umsatz machen, können eine Ist-Besteuerung beantragen und damit potentiell ihre Liquidität erhöhen. Grundsätzlich arbeiten die Unternehmen aber mit einer Soll-Besteuerung. Das bedeutet: Stellst du eine Rechnung und weist darauf die Umsatzsteuer aus, musst du diesen diesen Betrag sofort bei der nächsten Umsatzsteuerzahlung mit abführen. Die Soll-Besteuerung geht davon aus, dass deine Umsatzsteuerzahlung fällig ist, sobald du deine Leistung erfüllt hast – was der Fall ist, wenn du eine Rechnung darüber schreibst.
Die Ist-Besteuerung wiederum wählt einen anderen Ansatz: Hier ist die Umsatzsteuerzahlung erst nötig, wenn dein Kunde dir den Betrag überwiesen hat. Das kann für dich von Vorteil sein, denn deine Zahlung der Vorsteuer folgt immer der Soll-Besteuerung. Das bedeutet, du kannst deine Vorsteuer bei Eingangsrechnungen direkt geltend machen, bevor du sie überhaupt überwiesen hast, während du aber erst Umsatzsteuer zahlen musst, wenn dein Kunde überwiesen hat. So kannst du deine Liquidität hoch halten, was gerade für junge Unternehmen sehr interessant sein kann.
Die Ist-Besteuerung ist ebenso bekannt als Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, da hier erst die Steuer abgeführt werden muss, wenn das Geld eingenommen wurde. Im Kontrast dazu steht die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, die zum Tragen kommt, wenn mit Versand der Rechnung sozusagen vereinbart wurde, dass die Steuer fällig wird, unabhängig davon, wann sie bezahlt bzw. eingenommen wird.
Was ist der Unterschied zwischen vereinbarten und vereinnahmten Entgelten?
Vereinbarte und vereinnahmte Entgelte weisen auf den Unterschied von Soll- zu Ist-Besteuerung in Sachen Umsatzsteuer hin. Vereinbarte Entgelte meint die Umsatzsteuer, die in dem Monat oder Quartal fällig wird, in dem die Rechnung gestellt wurde. Vereinnahmte Entgelte wiederum beziehen sich auf die Umsatzsteuer, die in dem Abrechnungszeitraum fällig wird, in dem sie vom Rechnungsempfänger bezahlt wurde.
Schreibst du am 20. März eine Rechnung, musst du die Umsatzsteuer bei der Soll-Besteuerung noch für das erste Quartal des Jahres geltend machen, unabhängig davon, wann der Rechnungsempfänger die Rechnung bezahlt. Zahlt er sie bspw. erst am 1. April, müsstest die Umsatzsteuer bei der Ist-Besteuerung im zweiten Quartal des Jahres geltend machen.
Voraussetzungen für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten
Wer die Ist-Besteuerung nutzen möchte, muss dafür gewisse Voraussetzungen erfüllen. Nicht jedes Unternehmen kann sie nutzen. Erfüllt ein Unternehmen die Voraussetzungen, muss es die Ist-Besteuerung beim Finanzamt beantragen. Wird kein Antrag gestellt, unterliegen Unternehmen immer der Soll-Besteuerung. Nach Stellen des Antrags muss das Finanzamt die Ist-Besteuerung konkret genehmigen. Solange es keine offizielle Genehmigung gibt, muss das Unternehmen weiter mit der Soll-Besteuerung arbeiten. Auch, wenn sie alle Voraussetzungen für die Ist-Besteuerung erfüllen.
Folgende Gruppen dürfen die Ist-Besteuerung beantragen:
- Unternehmen, die im letzten Geschäftsjahr einen geringen Gesamtumsatz als 600.000,- EUR aufzuweisen hatten
- Unternehmen, die von der Buchführungspflicht befreit sind
- Freiberufler
Der Effekt der höheren Liquidität kommt jedoch nicht häufig zum Tragen, weswegen der positive Effekt der Ist-Besteuerung nicht überbewertet werden sollte. Die höhere Liquidität kommt schließlich nur bei den Rechnungen zum Tragen, die kurz vor Ablauf des Abrechnungszeitraums der Umsatzsteuer gestellt werden. In der Regel umfasst der Abrechnungszeitraum ein Quartal, wodurch der Effekt nur viermal im Jahr spürbar ist.
Vereinnahmte Umsatzsteuer in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung
Unternehmen oder Freiberufler, die denselben Voraussetzungen wie denen für die Ist-Besteuerung unterliegen, können außerdem von der doppelten Buchführung absehen und stattdessen eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung machen. Die Unternehmen, die im vergangenen Jahr max. 600.000,- EUR Gesamtumsatz hatten, dürfen allerdings zusätzlich nicht mehr als 60.000,- EUR Gewinn erwirtschaftet haben.
Um eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung machen zu können, musst du – wenn du dazu berechtigt bist – alle deine Einnahmen und Ausgaben aufführen und gegenüberstellen. Was du an Einnahmen mehr hast als an Ausgaben, ist letztlich dein Einnahmen-Überschuss.
Zu deinen Einnahmen zählen unter anderem:
- Betriebseinnahmen
- vereinnahmte Umsatzsteuer
- Einnahmen durch den Verkauf von Anlagevermögen
- private Nutzung von Betriebseigentum, wie bspw. Firmenwagen
Zu deinen Ausgaben zählen wiederum unter anderem:
- bezogene Dienstleistungen
- Kauf von Waren oder Rohstoffen
- Gehälter und Löhne
- Miete
- gezahlte Vorsteuer
- Gewerbesteuer
Die vereinnahmten Entgelte zählen dementsprechend bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung als Einnahme und werden den Ausgaben, wie bspw. der bereits bezahlten Vorsteuer, gegenübergestellt.
Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben
Nutzt du Gegenstände oder Dienstleistungen deines Unternehmens privat, liegt eine unentgeltliche Wertabgabe vor. Besonders häufig ist das der Fall, wenn z.B. der Firmenwagen privat genutzt wird. Diese Wertabgaben unterliegen der Umsatzsteuer und müssen dementsprechend in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung als Einnahme deklariert werden.
Fazit
Gerade junge Unternehmen können davon profitieren, eine Ist-Besteuerung zu beantragen, um kurzfristig höhere Liquidität aufzuweisen. Dafür müssen sie nur die Voraussetzungen erfüllen, einen Antrag stellen und die Genehmigung durch das Finanzamt abwarten.