In ganz Europa wird das Reverse-Charge-Verfahren bei internationalen Geschäften zwischen zwei Unternehmen eingesetzt, so auch in Frankreich. Das System ist dank der Anpassung der Steuergesetze jedes EU-Mitgliedstaates an die EU-Normen fast überall gleich aufgebaut, trotzdem hat jedes Land seine eigenen Gesetze und Ausnahmeregelungen. Wir verraten dir, was du zum Reverse-Charge-Verfahren in Frankreich wissen musst.
Patrick Moeller
Last Updated on 22 October 2021
Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?
Das Reverse-Charge-Verfahren verschiebt die Umsatzsteuerschuld vom Leistungserbringer auf den Leistungskäufer. Durch dieses System wird garantiert, dass bei internationalen Geschäften in dem Land Mehrwertsteuer bezahlt wird, wo die Waren oder die Dienstleistungen wirklich zum Einsatz kommen. Beim Reverse-Charge-Verfahren wird vom Dienstleister eine Nettorechnung ausgestellt. Der Leistungsempfänger zahlt dann den Nettobetrag und überweist die Umsatzsteuerschuld direkt an sein eigenes Finanzamt.
Das Reverse-Charge-System hilft dem Staat Steuerbetrug zu vermeiden. Bei internationalen Geschäften ist es für staatliche Institutionen oft schwierig eine vollständige Kontrolle über das Handelsgeschehen zu haben. Einheitliche oder zumindest ähnliche Gesetze und Vorgehensweisen, wie das Reverse-Charge-Verfahren eines ist, erleichtern die Arbeit der Kontrollorgane. Die bürokratischen Hürden für Finanzämter sowie für Unternehmen werden dadurch zusätzlich gesenkt.
Reverse-Charge-Verfahren in Frankreich
Am 1. September 2006 wurde das Reverse-Charge-Verfahren in Frankreich erstmals von einigen Sonderfällen auf die allgemeine Anwendung ausgeweitet. Davor wurde es nur in gewissen Ausnahmefällen eingesetzt. Seit 2006 ist der Leistungsempfänger, sofern er eine französische Umsatzsteueridentifikationsnummer besitzt, dazu verpflichtet, bei Lieferungen, die aus dem Ausland kommen, die Mehrwertsteuer an das französische Finanzamt zu überweisen. Dabei stellt der Leistungserbringer dem Kunden eine Nettorechnung aus.
In Frankreich beträgt der normale Umsatzsteuersatz 20 Prozent, der reduzierte Satz beläuft sich auf 10 Prozent.
Das Reverse-Charge-Verfahren umfasst alle Lieferungen von Waren und Dienstleistungen, die über die Staatsgrenzen hinaus nach Frankreich importiert werden. Dabei sind nicht nur EU-Länder, sondern auch Drittländer (EU-Ausland) von der Reverse-Charge-Methode betroffen.
Entgegen der in vielen anderen EU-Staaten angewendeten Gesetzmäßigkeit ist der Leistungsanbieter in Frankreich nicht gesetzlich verpflichtet, für die Zahlungen der Mehrwertsteuer durch den Leistungsempfänger zu haften.
Außerdem zu beachten gilt: Das Reverse-Charge-Verfahren beschränkt sich auf die Handelsbeziehungen zwischen zwei Unternehmen. Der Handel mit Privatpersonen ist von dieser Regelung nicht betroffen.
Warum wurde dieses Verfahren in Frankreich eingeführt?
Bevor das Reverse-Charge-System eingesetzt wurde, hatten die französischen Finanzämter mit einer stetig steigenden Steuerschuld zu kämpfen. Viele französische Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen von ausländischen Firmen bezogen, verlangten vom Finanzamt eine Umsatzsteuerrückerstattung. Die ausländischen Betriebe zahlten jedoch nur selten den Mehrwertsteuerbetrag bei den französischen Finanzbehörden ein. Dieses Problem wurde durch das Reverse-Charge-System beseitigt.
Generell hat sich der Prozess rund um die Mehrwertsteuerzahlung durch das Verfahren um einiges vereinfacht. Gesetzeslücken sowie Betrugsmöglichkeiten wurden dank des Systems abgeschafft.
So kannst du das ursprüngliche Verfahren noch nutzen
In Frankreich können ausländische Unternehmen jedoch trotzdem entscheiden, ob sie mit dem Reverse-Charge-Verfahren arbeiten möchten oder lieber selbst Mehrwertsteuer an das französische Finanzamt zahlen wollen. Beides hat Vor- und Nachteile.
Das Reverse-Charge-System wurde entwickelt, um ausländische Firmen vor den Hürden zu bewahren, die bei der Umsatzsteuerzahlung in einem fremden Land auftreten können. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Sprache und der abweichenden Vorgehensweisen gestaltet sich die Arbeit mit einem ausländischen Finanzamt oft kompliziert.
Es gibt jedoch durchaus Situationen, bei denen es für den ausländischen Leistungserbringer von Vorteil sein kann, am französischen Mehrwertsteuersystem teilzunehmen. Wenn das ausländische Unternehmen selbst Leistungen anderer in Anspruch nimmt, bei denen er Mehrwertsteuer zahlen muss, kann der ausländische Unternehmer durch das klassische Abführen der Umsatzsteuer in Frankreich eine Verrechnung der Vorsteuer mit der gezahlten Mehrwertsteuer beantragen. Bei der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahren gestaltet sich die Rückerstattung der Vorsteuer als wesentlich schwieriger. Bis zum 30. Juni des Folgejahres muss dafür ein Antrag an das französische Amt DRESG gestellt werden. Der Bearbeitungsprozess für ein solches Anliegen ist lang und komplex.
Um mit dem alten System arbeiten zu dürfen, muss die ausländische Firma einen Ansprechpartner für steuerliche Angelegenheiten in Frankreich beauftragen. Dieser ist für das französische Finanzamt der Vertreter deines Unternehmens. Ein solcher Konzern muss von der staatlichen Steuerverwaltung als sogenannter “Répondant” zugelassen werden. Auf der Rechnung des Leistungserbringers wird dieses Unternehmen dann als dein Vertreter in allen Steuerangelegenheiten verzeichnet.
Zudem ist für die Teilnahme am alten System ein schriftliches Übereinkommen zwischen dem ausländischen Unternehmen und dem französischen Kunden verpflichtend. In diesem Vertrag wird die Verpflichtung des Leistungserbringers, den Betrag an das französische Unternehmen zu überweisen, schriftlich festgehalten. Umgekehrt muss sich die französische Firma dazu geloben, den genannten Betrag an das Finanzamt zu überweisen. Durch dieses System wird die Mehrwertsteuer vom französischen Répondant geleistet, während der Leistungsempfänger trotzdem steuerpflichtig bleibt. Der Vorteil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit der Beantragung eines Vorsteuerabzuges für den ausländischen Leistungserbringer.
Achtung: Wenn du dieses System anwenden willst, bist du dazu verpflichtet, bei jedem Geschäft eine vertragliche Übereinkunft mit deinem Répondant zu treffen.
Die Entscheidung für das alte System wird von den meisten Unternehmen sehr bewusst getroffen. Ist der französische Geschäftspartner jedoch nicht vorsteuerabzugsberechtigt, kann ausschließlich das alte Verfahren angewendet werden. Dies kann bei Privatpersonen, öffentlichen Kunden sowie Ärzten vorkommen. Als Regel gilt: Jemand ist spätestens ab dem Zeitpunkt vorsteuerabzugsberechtigt, ab dem er eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzt.
Anwendung im Beispiel
Eine deutsche Holzverarbeitungsfirma erbringt Montageleistungen für einen französischen Fertigbad-Hersteller. Das Holz kauft das deutsche Unternehmen in Frankreich ein und verarbeitet es vor Ort direkt weiter. Der deutsche Betrieb ist im Besitz eines Répondants.
Um nun die geleistete Umsatzsteuer zu verrechnen, schließt das deutsche Unternehmen mit dem französischen Geschäftspartner eine vertraglich festgelegte Vereinbarung ab. Dieses Abkommen besagt, dass das Reverse-Charge-Verfahren nicht zur Anwendung kommt und die Umsatzsteuer im Namen des Répondant in Rechnung gestellt wird. Dieser wird dann die Mehrwertsteuer des Holzbauunternehmens begleichen. Anschließend darf das deutsche Unternehmen dann eine Rechnung mit französischer Mehrwertsteuer ausstellen.
Rechnung beim Reverse-Charge-Verfahren richtig aufbauen
Wird das Reverse-Charge-Verfahren angewendet, muss eine sogenannte Nettorechnung ausgestellt werden. Bei einer Nettorechnung wird der Betrag ohne Umsatzsteuer verrechnet.
Folgende Daten müssen auf der Rechnung notiert werden:
- Name und Adresse des Kunden
- Nummer und Adresse des Leistungserbringers
- Die Mehrwertsteueridentifikationsnummern der beiden Unternehmen
- Der zu zahlende Nettobetrag
- Ein Verweis auf die angewendete Reverse-Charge-Methode (Artikel 283-1 CGI)
Fazit
Das französische Reverse-Charge-Verfahren kann mit den Reverse-Charge-Systemen in anderen Ländern Europas verglichen werden. Jedoch gilt es, trotz der vielen Gemeinsamkeiten, gewisse Eigenheiten zu beachten. Die Wahl zwischen dem Reverse-Charge-System oder dem alten Verfahren will gut überlegt und begründet sein.

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