Kleinunternehmerregelung, OSS, Lieferschwelle: Die Regelungen und Grenzwerte die Unternehmer in Sachen Umsatzsteuer beachten müssen mehren sich. Was es mit diesen Regelwerken auf sich hat, wann die Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer wichtig werden und welche Fälle zutreffen können, erfährst du im folgenden Artikel.
Antonia Klatt
Last Updated on 10 January 2022Was ist ein Kleinunternehmer?
In Deutschland ist die Sache des Kleinunternehmers in § 19 des Umsatzsteuergesetzes geregelt. Dank dieser Vereinfachungsregel wird Unternehmern mit geringen Umsätzen ein Wahlrecht in Sachen Umsatzsteuer gewährt. Obwohl sie umsatzsteuerpflichtig sind, verzichtet das Finanzamt bei Inanspruchnahme der Regelung auf die Erhebung der Umsatzsteuer.
In diesem Fall müssen Kleinunternehmer gegenüber ihren Kunden keine Umsatzsteuer erheben, können aber im Gegenzug auch keine Vorsteuer abziehen. Eine Umsatzsteueridentifikationsnummer müssen sie aber trotzdem haben und vor allem bei Transaktionen mit EU-ausländischen Klienten oft angeben.
Als Unternehmer mit geringem Umsatz zählt seit 2020 jeder Unternehmer, der im vorangegangenen Kalenderjahr weniger als 22.000€ Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer verzeichnet hat und dessen Umsätze im laufenden Kalenderjahr 50.000€ voraussichtlich nicht übersteigen werden. Einige steuerfreie Umsätze und Umsätze aus Anlagevermögen sind davon auszuschließen.
Grundsätzlich gilt also: Jeder Unternehmer der
- im vergangenen Jahr weniger als 22.000€ und
- im laufenden Jahr weniger als 50.000€ Umsatz brutto verdient hat
ist quasi nicht umsatzsteuerpflichtig. Wenn der Umsatz im laufenden Jahr aber 22.000€ überschreitet, ist der Unternehmer ab dem 01. Januar des nächsten Jahres kein Kleinunternehmer mehr.
Vorsicht: Wenn der Umsatz Mitte Dezember überraschenderweise 50.000€ überschreitet, sind Umsatzsteuerzahlungen für das Kalenderjahr fällig. Wer vorher auf Rechnungen keine Umsatzsteuer erhoben hat, muss sie dann aus eigener Tasche bezahlen. Es empfiehlt sich also großzügig zu rechnen.
Viele andere europäische Staaten haben ihre eigene Kleinunternehmerregelungen. In Österreich beispielsweise gelten Unternehmer mit einem Jahresumsatz von weniger als 35.000€ als Kleinunternehmer. Diese Regelungen gelten allerdings immer nur für das Inland.
Was ist der One Stop Shop?
Der One Stop Shop ist ein weiteres Regelwerk, das sich mit der Umsatzsteuer befasst. Er gilt allerdings EU-weit und umfasst Umsatzsteuerregistrierung und Umsatzsteuerzahlungen. Obwohl er eher der Vereinfachung der umsatzsteuerlichen Pflichten für mittelgroße Unternehmen dient, hat der OSS auch Auswirkungen auf die administrativen Pflichten von Kleinunternehmern.
Grundsätzlich gilt:
- Der One Stop Shop umfasst nur den innergemeinschaftlichen Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Privatpersonen, sowie die Bereitstellung von elektronischen Schnittstellen, die Hilfe bei der Lieferung von Waren von nicht europäische Steuerpflichtigen leisten, beispielsweise Online Marktplätze.
- Wer sich für den OSS registriert, muss seine Verkäufe immer mit den Umsatzsteuersätzen der Länder, in die geliefert wird bzw. in denen die Käufer ansässig sind, belegen.
- Soweit Waren nicht in anderen EU-Ländern gelagert werden, sind dort keine Umsatzsteuer-Registrierungen und die Einreichung regelmäßiger Voranmeldungen mehr nötig.
- Die Verkäufe vom Heimatland in andere EU-Länder werden gesammelt in einer OSS-Meldung aufgeführt, die im Land der OSS-Registrierung eingereicht wird.
- Die gesamte erhobene Umsatzsteuer wird dort auch bezahlt.
Der One Stop Shop kann vielen kleinen, mittelgroßen und auch großen Unternehmen die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten erleichtern. Allerdings ist die Teilnahme am OSS freiwillig. Wer sich gegen die Regelung entscheidet, kann von der EU-weiten Lieferschwelle profitieren.
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Was ist die Lieferschwelle?
Bis 2020 galten in der Europäischen Union länderspezifische Lieferschwellen, in der Regel in Höhe von 35.000€ oder 100.000€. Sobald der Umsatz eines ausländischen Unternehmers in einem Land diese Schwelle erreichte, wurde er dort umsatzsteuerpflichtig, musste sich umsatzsteuerlich registrieren und mit der Erfüllung regelmäßiger umsatzsteuerlichen Aufgaben wie beispielsweise der Einreichung von Voranmeldungen beginnen. Diese Lieferschwellen wurden mit der Einführung des One Stop Shops abgeschafft.
An deren Stelle trat eine EU-weite Lieferschwelle von nur 10.000€ pro Jahr. Diese gilt EU-weit und kann daher durch Umsätze in alle EU-Ausländer erreicht werden. Unterhalb dieser Grenze werden alle Umsätze im EU-Ausland als inländische Umsätze behandelt.
- Sie werden also mit den heimischen Umsatzsteuersätzen belegt und
- Sie werden in der heimischen Umsatzsteuererklärung gemeldet und
- Die Umsatzsteuer wird an das heimische Finanzamt gezahlt.
Sobald die Lieferschwelle überschritten wird, muss jede weitere Transaktion mit dem ausländischen Steuersatz belegt werden und die Umsatzsteuer wird dann an die jeweiligen lokalen Finanzbehörden gezahlt. Deshalb sind unter anderem auch eine Umsatzsteuerregistrierung und die Einreichung von Voranmeldungen nötig.
Vorsicht: Bei Überschreitung der Lieferschwelle sind die Registrierung und die Erfüllung der umsatzsteuerlichen Aufgaben in allen Ländern verpflichtend, in die verkauft wird. Es können also ganz plötzlich mehrere Registrierungen auf dich zukommen. Um das zu vermeiden, registrieren sich viele Unternehmen für den One Stop Shop.
Kleinunternehmer und der One Stop Shop
Da sowohl die Kleinunternehmerregelung als auch die Lieferschwellen-Regelung Umsatzgrenzen beinhalten und der One Stop Shop die zu nutzenden Umsatzsteuersätze ändert, gibt es einige Konstellationen die auf Kleinunternehmer zutreffen können.
Fall 1: Kleinunternehmer mit Privatkunden und Umsatz unter 10.000€
Ein Unternehmer mit einem Umsatz unter 10.000€ gilt in Deutschland per Definition als Kleinunternehmer. Er überschreitet außerdem nicht die EU-weite Lieferschwelle und muss sich somit in diesem Kalenderjahr keine Gedanken um die Umsatzsteuer machen.
Fall 2: Kleinunternehmer mit Privatkunden und Umsatz zwischen 10.000€ und 22.000€
Ein Unternehmer mit einem Umsatz zwischen 10.000€ und 22.000€ gilt in Deutschland in diesem und auch dem nächsten Kalenderjahr noch immer als Kleinunternehmer. Er ist also in Deutschland quasi Umsatzsteuerbefreit. Diese Regelung greift aber nur im Inland.
Wenn er mehr als 10.000€ Umsatz durch Transaktionen mit Privatkunden im europäischen Ausland erzielt, überschreitet er die EU-weite Lieferschwelle. Dank dieser Umsätze muss sich dann im Ausland umsatzsteuerlich registrieren. Außerdem müssen alle weitere Transaktionen länderspezifisch besteuert werden und in ausländischen Voranmeldungen gelistet werden.
Alternativ kann er die OSS-Regelung verwenden und sich in Deutschland für den One Stop Shop registrieren. In diesem Fall ist er für Verkäufe an deutsche Kunden noch immer umsatzsteuerbefreit und muss keine deutsche Voranmeldung einreichen. Allerdings werden alle ausländischen Verkäufe von Beginn an länderspezifisch besteuert, in einer zusammengefassten OSS-Meldung aufgeführt und die Umsatzsteuer im Zuge des One Stop Shops Verfahren an das deutsche Finanzamt gezahlt.
Fall 3: Unternehmer mit Privatkunden und Umsatz von mehr als 22.000€
Sobald ein Unternehmer einen Jahresumsatz von mehr als 22.000€ verzeichnet gilt er im nächsten Jahr nicht mehr als Kleinunternehmer. Im laufenden Kalenderjahr trifft dann noch Fall 2 zu. Im nächsten Jahr allerdings kann er sich ohne Überlegungen zur Kleinunternehmerregelung zwischen der Nutzung des One Stop Shops oder der Lieferschwelle entscheiden.
Fall 4: Kleinunternehmer mit Unternehmenskunden und Umsatz unter 22.000€
Wie in Fall 1 und 2 gilt auch dieser Unternehmer dank seines geringen Umsatzes noch immer als Kleinunternehmer. Allerdings treffen die Lieferschwelle und der One Stop Shop auf diesen Kleinunternehmer nicht zu, da er keine Privatkunden hat. Seine Unternehmenskunden haben eigene Umsatzsteueridentifikationsnummern. Daher wird die Umsatzsteuer bei innergemeinschaftlichen Transaktionen mit dem Reverse Charge Verfahren geregelt.
Bei Verkäufen an ausländische Geschäftskunden innerhalb der EU wird der Rechnungsbetrag deshalb in Netto ausgewiesen und die Rechnung muss die Umsatzsteuer ID des Verkäufers oder Dienstleisters sowie die Passage „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthalten. Der Käufer kümmert sich dann in seinem Land um die Umsatzsteuerzahlung.
Auch bei Verkäufen an inländische Geschäftskunden enthält die Rechnung den Nettobetrag sowie die Passage “Umsatzsteuerbefreit aufgrund § 19 UStG”.
Fall 5: Unternehmer mit Unternehmenskunden und Umsatz von mehr als 22.000€
Sobald der Jahresumsatz eines Unternehmers 22.000€ überschreitet gilt er im laufenden Kalenderjahr zwar noch, im nächsten aber nicht mehr als Kleinunternehmer. Dann muss der Rechnungsbetrag für inländische Geschäftskunden die Umsatzsteuer enthalten, diese in einer deutschen Voranmeldung gemeldet und an das deutsche Finanzamt abgeüfhrt werden.
Die Rechnungen an ausländische Geschäftskunden allerdings beinhalten noch immer keine Umsatzsteuersätze und die Steuer wird über das Reverse Charge Verfahren abgewickelt. Allerdings müssen internationale Unternehmer nun, da sie nicht mehr als Kleinunternehmer gelten, vierteljährlich eine Zusammenfassende Meldung in Deutschland einreichen.
Fall 6: (Klein-) Unternehmer mit Privat- und Unternehmenskunden
Wer sowohl Privat- als auch Unternehmenskunden mit eigener Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat, für den wird die Situation kompliziert. Gerade Kleinunternehmer mit One Stop Shop Registrierung sind hier betroffen. Grundsätzlich gilt:
- Umsätze aus Privat- oder Unternehmenstransaktionen müssen getrennt behandelt werden.
- Umsätze im Inland und EU-Ausland müssen getrennt werden.
- Die Lieferschwellen- und OSS-Regelung treffen nur auf Privat-Transaktionen zu. Umsätze aus Unternehmenstransaktionen werden hier also nicht mit eingerechnet.
- Die Kleinunternehmerregelung greift nur im Inland. Auch Unternehmer mit geringem Umsatz sollten sich also mit dem Thema OSS befassen, sobald ihre Umsätze allein aus Privat-Transaktionen 10.000€ überschreiten.
Unternehmer aller Größen sollten die Umsatzgrenzen im Auge behalten und sich über alle ihre Optionen informieren. Außerdem sollten alle nötigen Registrierungen und umsatzsteuerlichen Aufgaben frühzeitig erledigt werden um Strafen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu vermeiden. Du bist dir noch immer unsicher, welche Pflichten zu erfüllen musst oder brauchst Hilfe bei Registrierungen und co.? Keine Sorge! Das hellotax Team aus lokalen Steuerberatern und auf Fernhandel spezialisierten Experten steht dir in allen umsatzsteuerlichen Fragen zu Seite. Kontaktiere uns noch heute, buche ein kostenfreies und unverbindliches Gespräch und vereinfache deine steuerlichen und administrativen Aufgaben.