Aus der steigenden Bedeutung des Marktes des Online-Handels resultieren steuerrechtliche Konsequenzen. Anspruchsvoll ist vor allem die Besteuerung der generierten Umsätze. Für jene können unterschiedliche Besteuerungsprinzipien je nach Transaktionszenario zugrunde gelegt werden. Um steuerrechtliche Stolperfallen hinsichtlich der abzuführenden E-Commerce Umsatzsteuer zu vermeiden, wird im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben und auf wichtige Aspekte hingewiesen.
Patrick Moeller
Last Updated on 24 August 2020
Umsatzsteuerpflicht im E-Commerce: Ab wann und für wen?
Für das Besteuerungsprinzip ist maßgebend, welche Beteiligten an einer Transaktion teilhaben. Grundsätzlich gilt in Deutschland die Umsatzsteuerpflicht, sofern eine Transaktion zwischen zwei in Deutschland ansässigen Unternehmen zustande kommt, bei denen es sich nicht um Kleingewerbetreibende handelt. Sobald ein Akteur im Ausland ansässig ist, entstehen Sonderregelungen wodurch sich die Besteuerung einer Transaktion verändert.
Allerdings gilt: Bei Online-Transaktionen zwischen Unternehmen und Privatpersonen wird in der Regel die Umsatzsteuer berechnet. In Ausnahmefällen wird seitens des Unternehmens (Online-Händler) keine Umsatzsteuer auf die E-Commerce Transaktion berechnet, da dieser von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch macht.
Hinblick auf die EU Umsatzsteuerreform iVm MwSt
Außerdem wird auf die im kommenden Jahr EU-weite Umsatzsteuerreform eingegangen. Das Ziel:
- mehr Einnahmen durch Mehrwertsteuer und eine
- Reduzierung der Befolgungskosten.
Damit dies erreicht und alle vorgegebenen Richtlinien beachtet werden können, ist es für die betroffenen Unternehmen wichtig, vorauszuschauen. So könnte ein stressfreier Übergang gewährleistet werden. Bei genauerer Hinsicht zeigt sich jedoch, dass die entsprechenden Neuerungen unter anderem Herausforderungen mit sich bringen.
B2B-Geschäfte: E-Commerce-Umsatzsteuer und Reverse Charge
Sinngemäß wird unter Reverse Charge die Umkehr der Steuerschuld verstanden. Doch was bedeutet das? Reverse Charge ist eine umsatzsteuerrechtliche Regelung, die es Akteuren ermöglicht, die Besteuerung der Umsatzsteuer umzuwandeln.
Konkret bedeutet dies, dass der Leistungserbringer, der grundsätzlich für die Berechnung und Abführung der Umsatzsteuer verantwortlich ist, diese Pflicht an den Käufer (Leistungsempfänger) übergibt. Somit hat der Leistungsempfänger eine Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt. Wichtig ist jedoch, dass das Reverse-Charge-Verfahren nur bei Geschäftsvorgängen innerhalb der EU angewandt werden kann. Zudem wird vorausgesetzt, dass die Akteure an einem Geschäftsvorfall unternehmerisch tätig sind. Es wird somit ein B2B-Geschäfts zwingend vorausgesetzt. Andernfalls kann das Reverse-Charge-Verfahren nicht angewandt werden.
Doch worin liegt der Vorteil? Schließlich muss die Umsatzsteuer abgeführt werden. Ziel dieser Regelung ist es nicht, die Kosten der gesamten Transaktion zu minimieren. Denn normalerweise kann das umsatzsteuerpflichtige Unternehmen die gezahlte E-Commerce-Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Vielmehr soll durch die Anwendung dieses Verfahrens der administrative Aufwand für alle teilhabenden Akteure reduziert werden. So wird sichergestellt, dass keine Kontaktaufnahme mit den ausländischen Finanzbehörden notwendig ist.
E-Commerce-Umsatzsteuer beim Online-Handel in der EU / im EWR: Lieferschwelle
Das Grundgerüst des Besteuerungsprinzip basiert auf dem Standort des Warenlagers des Online-Händlers. Sinngemäß bedeutet dies, dass der Ort der erbrachten Leistungen, also das Verschicken der Bestellung, maßgebend für die Besteuerung ist. Der einfache Fall hierbei ist, wenn die Waren aus Deutschland verschickt werden und der Online-Händler auch in Deutschland ansässig ist. Folglich wird die deutsche Umsatzsteuer berechnet und abgeführt.
Erfolgt jedoch der Versand der Ware aus einem EU-Land oder des Europäischen Wirtschaftsraums, entstehen umsatzsteuerrechtliche Besonderheiten. Und zwar greift hier die sogenannten Lieferschwelle. Unter dieser wird ein Schwellenwert, gemessen nach Umsatz, verstanden, der seitens des Online-Händlers entweder unter- oder überschritten werden kann.
In beiden Szenarien entstehen steuerrechtliche Pflichten. Für den Fall, dass die Lieferschwelle in einem Kalenderjahr nicht überschritten ist, kann der Versandhändler entscheiden, in welchem Land er die Transaktion mit der E-Commerce-Umsatzsteuer besteuern möchte. Aus einer reinen wirtschaftlichen Perspektive ist die Besteuerung der Transaktion in dem Land mit dem niedrigeren Umsatzsteuersatz sinnvoll.
Der Clou dabei ist: Die verkaufte Ware wird für den Endkonsumenten günstiger. Wird jedoch die Lieferschwelle im Empfängerland überschritten, so ist der Online-Versandhändler dazu verpflichtet, die Bestellung mit dem im Zielland geltenden Umsatzsteuersatz zu berechnen. Demnach gilt hier nicht das Wahlprinzip und zeitgleich entstehen dadurch steuerrechtliche Pflichten. So ist der Online-Versandhändler angehalten, im Zielland eine eigene Umsatzsteuer-ID zu beantragen und alle hiermit einhergehenden Pflichten, wie z.B. die Umsatzsteuervoranmeldung, vorzunehmen.
E-Commerce-Umsatzsteuer-Regelung 2021: Was ist neu? Die Mehrwertsteuerreform im Detail
Die Änderungen, die im Zusammenhang mit der besagten Mehrwertsteuerreform in Kraft treten, sind überschaubar, dürften jedoch großen Einfluss auf den internationalen Handel haben.
Neu ist: Verkaufen Unternehmen aus Drittländern ihre Produkte mit einem Warenwert von weniger als 150,- EUR über einen Online-Marktplatz, einen Online-Shop oder ähnliche Plattformen, so gelten die gleichen Umsatzsteuerregeln wie in Bezug auf Lieferanten bzw. Verkäufer. Das bedeutet: Hier wird die E-Commerce-Umsatzsteuer fällig!
Für das Abführen besagter Steuer sind dann die Betreiber der Plattformen zuständig. Sie müssen zudem auch gewährleisten, dass die entsprechenden Summen jederzeit nachvollzogen werden können. Wer hier auf der sicheren Seite sein möchte, sollte über die entsprechenden Verkäufe bzw. Vorgänge akribisch Buch führen und die Beträge – auch verständlich für Dritte – dokumentieren. Software wie hellotax schafft hier Abhilfe.
Zudem soll – mit dem Ziel, den internationalen Handel noch weiter zu vereinfachen – in Zukunft auf spezielle Schwellenwerte, die wiederum von den Vorgaben des jeweiligen Landes abhängig waren, verzichtet werden. Eine entsprechende Registrierung bei einer Überschreitung der betroffenen, individuell festgelegten Summe fällt dann weg.
Aber: Die Tatsache, dass auf die individuellen Schwellenwerte verzichtet werden soll, bedeutet natürlich nicht, dass es ab 2021 keine Grenze mehr nach oben geben wird. Um hier jedoch ebenfalls nach einem einheitlichen Muster vorzugehen, gibt es einen einzigen Schwellenwert, der sich dann auf den Handel innerhalb der kompletten EU bezieht. Dieser liegt bei 10.000 Euro (netto) pro Kalenderjahr (bezogen auf den Zeitraum der Leistungserbringung und das Jahr zuvor).
Danach gilt: Kommt es zu einer Überschreitung des Werts, muss die Steuer im Land des Abnehmers erbracht werden. Die betroffenen Unternehmen haben hierfür jedoch nun einen Ansprechpartner in ihrem Land, der für Steuerzahlungen in alle EU-Länder gilt. Die entsprechenden Abläufe werden so noch weiter vereinfacht, da sich eine Stelle um alle Zahlungsläufe kümmert.
Gelten die neuen Regelungen ausschließlich für das B2B-Geschäft?
Mit Hinblick auf die neuen Regelungen rund um die Mehrwertsteuerreform der EU muss in zwei Kategorien unterschieden werden: B2B und B2C.
Die oben erwähnten Neuerungen greifen mit Hinblick auf klassische B2C-Geschäfte voraussichtlich ab dem 01.01.2021, vielleicht aber auch erst ein halbes Jahr später.
Wer hingegen B2B vermarktet, hat noch mindestens bis zum 01.01.2022 Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Lieferungen sind, sofern sie die entsprechenden Bedingungen erfüllen, bis zu diesem Stichtag noch von der Versandhandel-Umsatzsteuer befreit.
Wird die Mehrwertsteuerreform möglicherweise verschoben?
Corona hat die Welt durcheinandergewirbelt. Dies gilt unter anderem auch mit Blick auf den Bereich E-Commerce. Aktuell steht ein Vorschlag der EU-Kommission im Raum, die Reform um ein halbes Jahr nach hinten zu verschieben.
Denn, wie bereits erwähnt, bietet die neue Variante viele Vorteile, muss jedoch auch ausreichend vorbereitet werden. Damit die betroffenen Unternehmen Zeit genug haben, sich auf die neuen Regelungen und Gegebenheiten einzustellen, könnte es sein, dass hier kurzfristig eingelenkt wird. Immerhin hat die Corona-Krise in den letzten Monaten dafür gesorgt, dass zahlreiche Unternehmen ihre Ressourcen umstrukturieren und entsprechend anders planen mussten. Nur wenigen dürfte es gelungen sein, sich eingehend mit Fragen rund um Dokumentationspflichten, Mehrwertsteuer und Ansprechpartnern vor Ort zu befassen, um auch tatsächlich ab dem 01.01.2021 auf Basis der neuen Bestimmungen starten zu können.
Fazit
Durch den zunehmenden E-Commerce-Handel entstehen unterschiedliche Möglichkeiten des Vertriebs. So ist es für Online-Händler einfach, internationale Zielgruppen mit ihren Produkten anzusprechen und jene als Kunden zu gewinnen. Dadurch kann das E-Commerce-Business gänzlich skaliert werden. So wächst nicht ausschließlich der Umsatz, sondern auch die Rechten und Pflichten.